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Die Geschich­te von Can­na­bis als Medi­zin

Can­na­bis kann in Deutsch­land seit 2017 wie­der als Medi­zin ver­schrie­ben wer­den. Ein Rezept zu erhal­ten ist aber nur unter bestimm­ten Bedin­gun­gen mög­lich und es müs­sen manch­mal vie­le büro­kra­ti­sche Hür­den über­wun­den wer­den. Dabei hat Can­na­bis als Medi­zin bereits eine lan­ge Tra­di­ti­on, die mit aktu­el­len vali­den Daten zur Wirk­sam­keit noch­mals Berech­ti­gung erhält. Der fol­gen­de Arti­kel soll einen Über­blick über die Geschich­te der Can­na­bis­pflan­ze in Hin­blick auf ihre medi­zi­ni­sche Nut­zung bie­ten.

Hanf­fa­sern wer­den seit Jahr­tau­sen­den ver­wen­det

Hanf ist eine Kul­tur­pflan­ze und beglei­tet den Men­schen seit Tau­sen­den von Jah­ren. So lese und höre ich es in zahl­rei­chen Print- und Tele­me­di­en. Und auch Wis­sen­schaft­ler ver­mu­ten, dass Can­na­bis eine der ältes­ten Kul­tur­pflan­zen der Welt ist. Es heißt, Hanf­fa­sern wur­den bereits vor 8500 Jah­ren ver­wen­det (1). Im deut­schen Bun­des­land Thü­rin­gen fand man Hanf­sa­men, deren Alter auf 7500 Jah­re geschätzt wird (2). Für die anti­ken Rei­che bzw. Völ­ker der Grie­chen und Römer ist der Gebrauch von Hanf­fa­sern (wahr­schein­lich für Tex­ti­li­en etc.) belegt (3)(4). Ein­zel­ne Quel­len deu­ten auf die Ver­wen­dung von Hanf als Heil­mit­tel hin (5). Auch im Mit­tel­al­ter wur­den Hanf­sa­men und Hanf­fa­sern ver­wen­det. Eine Quel­le weist dar­auf hin, dass Can­na­bis oder Can­na­bis­sa­men zusam­men mit ande­ren schmerz­be­täu­ben­den bzw. schlaf­för­dern­den Pflan­zen in Form von Räu­cher­mi­schun­gen oder Schlaf­trän­ken ver­wen­det wur­de (6).

Abbildung: Ein Bündel Hanffasern (Quelle: Wikipedia; verwendet unter derCreative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license
Abbil­dung: Ein Bün­del Hanf­fa­sern (Quel­le: Wiki­pe­dia; ver­wen­det nach CC BY-SA 3.0)

Can­na­bis kam als indi­scher Hanf über den Ori­ent als Rausch­mit­tel und Heil­mit­tel nach Euro­pa

Auch wenn Can­na­bis schon in der Phy­si­ca der Hil­de­gard von Bin­gen sei­ne Erwäh­nung fand (7), spiel­te die Pflan­ze im Euro­pa des Mit­tel­al­ters als Heil­mit­tel zunächst eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Durch Erobe­run­gen und Rei­sen in den nahen und fer­nen Osten erfuhr man dann in Euro­pa, dass Hanf als Rausch­mit­tel ver­wen­det wur­de (8) und man ver­mu­tet, dass Haschisch im Jahr 1690 das ers­te Mal nach Euro­pa kam (9). In Euro­pa hat­te man bis zu die­sem Zeit­punkt schon eini­ge der medi­zi­ni­schen Eigen­schaf­ten des hei­mi­schen Can­na­bis (Can­na­bis sati­va) schät­zen gelernt. Dem indi­schen Hanf (Can­na­bis indi­ca) stand man aber in der euro­päi­schen Medi­zin trotz­dem kri­tisch gegen­über, wahr­schein­lich, weil er auch als Rausch­mit­tel ver­wen­det wur­de. Die Bezeich­nung „indi­scher Hanf“ wur­de dabei auch nur des­halb gewählt, um die Pflan­ze vom in Euro­pa ange­bau­ten Can­na­bis sati­va zu unter­schei­den. Dem­entspre­chend waren Wis­sen­schaft­ler lan­ge Zeit der Mei­nung, dass es sich bei Can­na­bis sati­va und Can­na­bis indi­ca um zwei ver­schie­de­ne Arten han­delt. (Wer sich bei Online-Seed­shops wie Roy­al Queen Seeds, Sen­si Seeds umsieht, wird fest­stel­len, dass es für die Ein­ord­nung unter Lai­en auch noch immer so gehand­habt wird). Mitt­ler­wei­le sind sich die Taxo­no­men jedoch einig, dass es sich um eine Art, näm­lich Can­na­bis sati­va, mit ent­spre­chen­den Unter­ar­ten han­delt. Für die wei­te­re Betrach­tung von Can­na­bis als Medi­zin soll die­se Unter­tei­lung an die­ser Stel­le aber vor­erst kei­ne Rol­le spie­len. Wich­ti­ger ist hier die Erkennt­nis dama­li­ger Fach­leu­te, dass indi­scher Hanf genutzt wur­de, um sich „in eine ange­neh­me Art von Trun­ken­heit und Bene­be­lung des Ver­stan­des [zu] ver­set­zen“ (10).

Can­na­bis kommt in der Schul­me­di­zin Euro­pas an

Bevor der indi­sche Hanf in Euro­pa ankam, wur­den von der Heil­pflan­ze Can­na­bis sati­va fast nur die Samen ver­wen­det, um Öle oder Emul­sio­nen her­zu­stel­len. Dies bedeu­te­te vor allem in der Her­stel­lung einen rie­si­gen Auf­wand. Um Samen aus einer Pflan­ze zu gewin­nen, müs­sen deren Blü­ten befruch­tet wer­den und die Früch­te erst ein­mal rei­fen. Die Samen müs­sen geern­tet und gepresst wer­den. Die Hanf­pflan­ze Can­na­bis indi­ca aus Ost­asi­en war bis zum 18. Jahr­hun­dert in Euro­pa weit­ge­hend unbe­kannt (11). Anfang des 19. Jahr­hun­derts brach­te der fran­zö­si­sche Natur­wis­sen­schaft­ler und Ent­de­cker Pierre Son­ner­at eini­ge Exem­pla­re des indi­schen Hanfs von sei­nen Ori­ent­rei­sen mit. Im Jahr 1830 wur­de Can­na­bis indi­ca das ers­te Mal aus­führ­lich beschrie­ben. Es hieß, dass der alko­ho­li­sche Extrakt des Hanfs gegen Ner­ven­be­schwer­den ver­wen­det wur­de, die sonst die Anwen­dung von Opi­um oder Bil­sen­kraut erfor­der­ten (12). Trotz­dem blieb es vor­erst bei der über­wie­gen­den Nut­zung der Hanf­sa­men in Emul­sio­nen, Auf­güs­sen und Abko­chun­gen.

Eine ers­te Stu­die zu Can­na­bis indi­ca legt den Grund­stein für Can­na­bis als Medi­zin

Abbil­dung: Wil­liam Broo­ke O’Shaughnessy, vor 1851 (Quel­le: Wiki­pe­dia)

Das Fun­da­ment für die Nut­zung von Can­na­bis indi­ca als Medi­zin in Euro­pa leg­te der iri­sche Arzt Wil­liam B. O’Shaughnessy. Er war im Jahr 1839 im indi­schen Kolk­a­ta (ehe­mals Kal­kut­ta) sta­tio­niert und ver­öf­fent­lich­te eine Stu­die mit dem Titel „On the Pre­pa­ra­ti­ons of the Indi­an Hemp, or Gunjah“(13). Er erklärt dort eini­ge Tier­ver­su­che, bei denen er mit indi­schen Can­na­bis­zu­be­rei­tun­gen arbei­te­te. Außer­dem beschreibt er eini­ge Ver­su­che am Men­schen, bei denen er erfolg­reich u.a. Krank­hei­ten wie Toll­wut, Cho­le­ra und Teta­nus mit Can­na­bis­prä­pa­ra­ten behan­del­te. In Euro­pa wuss­te man damals noch nicht, dass es sich bei den genann­ten um Infek­ti­ons­krank­hei­ten han­delt, und man hat­te ent­spre­chend kei­ne Hand­ha­be gegen die Sym­pto­me. Kurz nach der Ver­öf­fent­li­chung der Stu­die in Euro­pa begann man des­halb, medi­zi­nisch mit Haschisch zu expe­ri­men­tie­ren (14) und Can­na­bis als Rausch­dro­ge aus­zu­pro­bie­ren.

Can­na­bis war im 19. Jahr­hun­dert ein eta­blier­tes Medi­ka­ment

Durch die genann­te Stu­die und die Erfol­ge derer, die Can­na­bis indi­ca infol­ge­des­sen als Medi­zin aus­pro­bier­ten, fin­gen auch vie­le ande­re Ärz­te an, ihre Pati­en­ten mit dem neu­en Heil­mit­tel zu the­ra­pie­ren. Zu Beginn blieb es bei der Behand­lung von Toll­wut, Cho­le­ra und Teta­nus (Starr­krampf), also der Krank­hei­ten, die O’Shaughnessy in sei­ner Stu­die genannt hat­te. Im Lauf des 19. Jahr­hun­derts wur­den Can­na­bis­prä­pa­ra­te dann bei wei­te­ren Indi­ka­tio­nen ange­wen­det. Ähn­lich wie in der heu­ti­gen Zeit waren vie­le von den Mög­lich­kei­ten der Hanf­pflan­ze begeis­tert. Und ähn­lich wie heu­te gab es auch damals schon kri­ti­sche Stim­men. Der Wie­ner Medi­zin­pro­fes­sor Carl Dami­an Rit­ter von Schroff hielt die neu auf­kom­men­den Can­na­bis­prä­pa­ra­te für bedenk­lich, da sie „in Bezug auf den Grad und die Art der Wir­kung nach Ver­schie­den­heit der Indi­vi­dua­li­tät sowohl im gesun­den als im krank­haf­ten Zustan­de die größ­te Man­nig­fal­tig­keit dar­bie­ten, dass sie daher zu den unsi­che­ren Mit­teln gehö­ren und der Arzt jeden­falls mit gro­ßer Vor­sicht sich der­sel­ben bedie­nen soll.“ (15) Kurz gesagt: Can­na­bis wirkt bei jedem anders und ist daher mit Vor­sicht zu genie­ßen. Man könn­te jetzt wild spe­ku­lie­ren, dass die unter­schied­li­chen Wir­kun­gen bei von Schroffs Unter­su­chun­gen von unter­schied­lich zube­rei­te­ten Prä­pa­ra­ten unter­schied­li­cher Pflan­zen etc. stam­men. Man könn­te viel vom heu­te bekann­ten Kon­zept des „Set und Set­ting“ reden. All das ändert aber nichts dar­an, dass der Mann wahr­schein­lich damals schon recht hat­te. Eine Schluss­fol­ge­rung aus die­sen Beden­ken für eine heu­ti­ge kon­trol­lier­te Frei­ga­be von Can­na­bis als Frei­zeit­dro­ge wäre es, auf Prä­ven­ti­on und Auf­klä­rung zu set­zen, bevor man Kon­sum zulässt.

Can­na­bis als Medi­zin war im 19. Jahr­hun­dert in ganz Euro­pa ver­brei­tet

Abbil­dung: Eine Fla­sche mit Can­na­bis-Extrakt (Quel­le: Wiki­pe­dia)

In der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts hat­ten nahe­zu alle Län­der Euro­pas Can­na­bis in ihre Arz­nei­bü­cher auf­ge­nom­men. Hanf als Medi­zin war in Euro­pa ange­kom­men und eta­bliert und die For­schung an Can­na­bis wur­de vor allem in Deutsch­land, Eng­land, Frank­reich und den USA vor­an­ge­trie­ben. Alle indus­tri­ell her­ge­stell­ten Can­na­bis­prä­pa­ra­te, die es auf dem Markt zu kau­fen gab, stamm­ten aus den genann­ten Län­dern. In Deutsch­land ist die Ver­wen­dung von Can­na­bis als Medi­zin gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts beson­ders dem Unter­neh­men Merck aus Darm­stadt zu ver­dan­ken. Durch den schnel­len Auf­stieg von Can­na­bis und Can­na­bis­prä­pa­ra­ten als Medi­zin könn­te man ver­mu­ten, dass es in Euro­pa auch ver­mehrt zum Miss­brauch des Medi­ka­ments kam. In Afri­ka und Asi­en war Can­na­bis­mus (chro­ni­scher Miss­brauch von Can­na­bis als Abhän­gig­keits­stö­rung) sehr ver­brei­tet. In Euro­pa war die Suchtstö­rung am Ende des 19. Jahr­hun­derts bis­lang noch nicht auf­ge­tre­ten (16). Zumin­dest behaup­ten das die ein­schlä­gi­gen Quel­len. Wahr­schein­li­cher wird sein, dass kei­ne Zah­len erfasst wur­den.

Das Ende der Can­na­bis-Ära im 20. Jahr­hun­dert

Im Ver­lauf des 20. Jahr­hun­derts ver­schwan­den Can­na­bis und Can­na­bis­prä­pa­ra­te als Medi­ka­men­te nach und nach vom Markt. Nach dem schnel­len Auf­stieg und dem Erfolg des indi­schen Hanfs im 19. Jahr­hun­dert mag dies ver­wun­der­lich erschei­nen. Für das Ende der Can­na­bis-Ära wirk­ten jedoch meh­re­re Fak­to­ren zusam­men:

  • Für alle medi­zi­ni­schen Anwen­dungs­ge­bie­te von Can­na­bis wur­den neue, bes­se­re oder effek­ti­ve­re Behand­lungs­mög­lich­kei­ten gefun­den, deren Neben­wir­kun­gen nicht in eine all­ge­mei­ne Bewer­tung ein­flos­sen. Gegen Cho­le­ra und Teta­nus wur­den Impf­stof­fe ent­wi­ckelt. Ande­re Infek­ti­ons­krank­hei­ten wie Gonor­rhö (Trip­per) wur­den anti­bio­tisch statt mit Can­na­bis behan­delt. Im Bereich der Schlaf‑, Beru­hi­gungs- und Schmerz­mit­tel gab es che­mi­sche Alter­na­ti­ven, die von der Phar­ma­in­dus­trie zur Ver­fü­gung gestellt wur­den.
  • Man wuss­te zwar, dass Can­na­bis als Medi­zin wirkt, der Haupt­wirk­stoff THC war aber hin­sicht­lich sei­ner Struk­tur und Wirk­wei­se noch nicht erforscht. Das führ­te dazu, dass Can­na­bis­prä­pa­ra­te je nach Her­stel­lungs­art, Lage­rung etc. unter­schied­lich wirk­sam waren. Eini­ge Medi­ka­men­te waren hoch­po­tent, ande­re wirk­ten gar nicht. Can­na­bis­pro­duk­te waren also man­gels Wis­sens um den Wirk­stoff nicht stan­dar­di­sier­bar wie ande­re Medi­ka­men­te.
  • Can­na­bis­me­di­ka­men­te wur­den zu teu­er, da indi­scher Hanf aus Asi­en impor­tiert wer­den muss­te. Durch Ein­schrän­kun­gen in den Her­kunfts­län­dern und durch die bei­den Welt­krie­ge wur­de der Import immer schwie­ri­ger und schließ­lich unren­ta­bel.
  • Can­na­bis­prä­pa­ra­te wur­den als Betäu­bungs­mit­tel dekla­riert und im Lau­fe des 20. Jahr­hun­derts kom­plett ver­bo­ten. In den spä­ten 1950er Jah­ren war die medi­zi­ni­sche Ver­wen­dung von Can­na­bis noch in 26 Län­dern legal, 1961 wur­de Can­na­bis dann welt­weit – auch für medi­zi­ni­sche Zwe­cke – ver­bo­ten. Glück­li­cher­wei­se blieb die wis­sen­schaft­li­che For­schung an Can­na­bis und an Can­na­bi­no­iden erlaubt.(11)

Can­na­bis wur­de in den 1960ern zur Frei­zeit­dro­ge und wird als Medi­zin wie­der­ent­deckt

Im Jahr 1964 – also drei Jah­re nach dem welt­wei­ten Ver­bot von Can­na­bis – klär­ten die israe­li­schen Wis­sen­schaft­ler Yechi­el Gao­ni und Rapha­el Mechou­lam die che­mi­sche Struk­tur von THC auf.(17). In den fol­gen­den 30 Jah­ren wur­den zwar weni­ge neue wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se über Can­na­bis als Medi­zin gewon­nen, Can­na­bis wur­de aber ab Mit­te der 1960er zur Dro­ge der Hip­pie­be­we­gung und der (ille­ga­le) Frei­zeit­ge­brauch von Can­na­bis eta­blier­te sich welt­weit. Dar­aus ergab sich das Pro­blem, dass Can­na­bis nun als ille­ga­le Dro­ge stig­ma­ti­siert und im medi­zi­ni­schen Bereich eher ver­nach­läs­sigt wur­de. In den 1980er begann man aber aus­ge­rech­net in den USA wie­der, sich auf Can­na­bis als Medi­ka­ment ein­zu­las­sen. Es war mitt­ler­wei­le gelun­gen, THC syn­the­tisch her­zu­stel­len. Um das nega­ti­ve Image der „Dro­ge“ zu ver­hin­dern, wur­de der Wirk­stoff in dem neu­en Medi­ka­ment „Mari­nol®“ ein­fach als „Drona­bi­nol“ bezeich­net. Che­misch betrach­tet han­delt es sich dabei um THC. Das Medi­ka­ment Mari­nol® wur­de gegen Übel­keit und Erbre­chen und zur Appe­tit­an­re­gung ein­ge­setzt. Es wur­de in der Regel Krebs­pa­ti­en­ten ver­schrie­ben, um die Fol­gen einer Che­mo­the­ra­pie abzu­mil­dern. Sehr sel­ten wur­de das Medi­ka­ment auch nach Euro­pa impor­tiert und unter stren­gen Auf­la­gen an betrof­fe­ne Pati­en­ten wei­ter­ge­ge­ben.

Die Ent­de­ckung des Endo­can­na­bi­no­id­sys­tems

Zu Beginn der 1990er Jah­re wur­de das Endo­can­na­bi­no­id­sys­tem ent­deckt. Es han­delt sich dabei um einen Teil des mensch­li­chen Ner­ven­sys­tems. Unter ande­rem wur­den der CB1- und der CB2-Rezep­tor als Andock­stel­len für THC und kör­per­ei­ge­nen Can­na­bi­no­ide iden­ti­fi­ziert. Ver­ein­facht gesagt hat unser eige­ner Kör­per bereits Schlös­ser im Ner­ven­sys­tem, in die der THC-Schlüs­sel per­fekt hin­ein passt. Seit der Ent­de­ckung des endo­ge­nen Can­na­bi­no­id­sys­tems wird auch wie­der inten­si­ver an Can­na­bis geforscht und man bemüht sich, medi­zi­ni­sche Can­na­bis­prä­pa­ra­te und Can­na­bi­no­ide wie­der ver­kehrs­fä­hig zu machen.

Das Can­na­bis-als-Medi­zin-Gesetz von 2017

Seit März 2017 kön­nen Can­na­bis­blü­ten und Can­na­bis­prä­pa­ra­te in Deutsch­land wie­der als Medi­zin ver­schrie­ben wer­den. Jeder Haus- und Fach­arzt darf getrock­ne­te Can­na­bis­blü­ten und ‑extrak­te sowie Arz­nei­mit­tel mit den Wirk­stof­fen Drona­bi­nol und Nabi­lon (ein syn­the­ti­sches THC-Deri­vat) ver­schrei­ben. Die Pati­en­ten haben aber nur unter bestimm­ten sehr stren­gen Vor­aus­set­zun­gen Anspruch auf eine The­ra­pie mit Can­na­bis (18). Zu die­sen Vor­aus­set­zun­gen heißt es im Fünf­ten Sozi­al­ge­setz­buch:

„Ver­si­cher­te mit einer schwer­wie­gen­den Erkran­kung haben Anspruch auf Ver­sor­gung mit Can­na­bis in Form von getrock­ne­ten Blü­ten oder Extrak­ten in stan­dar­di­sier­ter Qua­li­tät und auf Ver­sor­gung mit Arz­nei­mit­teln mit den Wirk­stof­fen Drona­bi­nol oder Nabi­lon, wenn

1.

eine all­ge­mein aner­kann­te, dem medi­zi­ni­schen Stan­dard ent­spre­chen­de Leis­tung

a)

nicht zur Ver­fü­gung steht oder

b)

im Ein­zel­fall nach der begrün­de­ten Ein­schät­zung der behan­deln­den Ver­trags­ärz­tin oder des behan­deln­den Ver­trags­arz­tes unter Abwä­gung der zu erwar­ten­den Neben­wir­kun­gen und unter Berück­sich­ti­gung des Krank­heits­zu­stan­des der oder des Ver­si­cher­ten nicht zur Anwen­dung kom­men kann,

2.

eine nicht ganz ent­fernt lie­gen­de Aus­sicht auf eine spür­ba­re posi­ti­ve Ein­wir­kung auf den Krank­heits­ver­lauf oder auf schwer­wie­gen­de Sym­pto­me besteht.“(19)

§ 31 SGB V

Für die Pra­xis heißt dies, dass Can­na­bis in jeg­li­cher Form für Pati­en­ten erst als „letz­ter Stroh­halm“ zur Ver­fü­gung steht, wenn jede ande­re Form der Medi­ka­ti­on oder The­ra­pie nicht die gewünsch­te Wir­kung erzielt. Lei­der wird auch in vie­len Fäl­len ein Kos­ten­über­nah­me­an­trag von den Kran­ken­kas­sen abge­lehnt, sodass Betrof­fe­ne vie­le büro­kra­ti­sche Hür­den über­win­den müs­sen. Glück­li­cher­wei­se haben sich mitt­ler­wei­le meh­re­re Netz­wer­ke von Exper­ten her­vor­ge­tan, die Betrof­fe­nen bei der Antrags­stel­lung und den  fol­gen­den Wider­spruchs­ver­fah­ren gegen die Kran­ken­kas­sen hel­fen.

Fazit

Can­na­bis als Medi­zin hat eine lan­ge Rei­se von sei­ner Ent­de­ckung über sein Ver­bot bis zu sei­ner Renais­sance hin­ter sich. Wegen des jahr­zehn­te­lan­gen Ver­bots steckt die For­schung – beson­ders die am Endo­can­na­bi­no­id­sys­tem – noch in den Kin­der­schu­hen. Par­al­lel dazu herrscht momen­tan (Stand: August 2023) in Deutsch­land eine Auf­bruchs­stim­mung was die Lega­li­sie­rung bzw. Ent­kri­mi­na­li­sie­rung von Can­na­bis als Frei­zeit­dro­ge angeht. Die Ände­rung des recht­li­chen Sta­tus von Can­na­bis wird auch Ände­run­gen der Ein­stu­fung von Can­na­bis als Medi­zin bzw. Betäu­bungs­mit­tel nach sich zie­hen. Wir dür­fen gespannt sein, wel­che neu­en Ergeb­nis­se die immer wei­ter vor­an­schrei­ten­de For­schung an Hanf und sei­nen Inhalts­stof­fen bie­tet. Es spielt dabei kei­ne Rol­le, ob Can­na­bis als Medi­zin, als Roh­stoff oder als Dro­ge genutzt wird. Es wird Zeit für eine Ent­stig­ma­ti­sie­rung der Pflan­ze, damit wir Men­schen das vol­le Poten­zi­al des Hanfs dau­er­haft aus­schöp­fen kön­nen.

Wei­ter­füh­ren­de Quel­len

  • 1 Rus­so, Ethan: Histo­ry of Can­na­bis and Its Pre­pa­ra­ti­ons in Saga, Sci­ence, and Sobri­quet; 2007
  • 2 Rätsch, Chris­ti­an: Hanf als Heil­mit­tel; 2016
  • 3 Hehn, Vic­tor: Kul­tur­pflan­zen und Haus­tie­re im Über­gang aus Asi­en nach Grie­chen­land und Ita­li­en, sowie Euro­pa; 2012
  • 4 Rubin, Vera: Can­na­bis and Cul­tu­re – Socio­cul­tu­ral and epi­de­mio­lo­gi­cal aspects of hash­ish use in Greece; 2011
  • 5 Dio­s­ku­r­i­des: Arz­nei­mit­tel­leh­re in fünf Büchern; 2018 (Reprint)
  • 6 Tschirch, Alex­an­der: Hand­buch der Phar­ma­ko­gno­sie; 1910
  • 7 Rei­er, Her­bert: Die alt­deut­schen Heil­pflan­zen, ihre Namen und Anwen­dun­gen in den lite­ra­ri­schen Über­lie­fe­run­gen des 8.–14. Jahr­hun­derts; 1982
  • 8 Kaemp­fer, Engel­bert: Amoe­ni­ta­tes Exo­ti­cae; 1712
  • 9 Bou­quet, J.: Con­tri­bu­ti­on à l’étu­de du chan­vre indi­en (L’her­be aux fakirs); 1912
  • 10 Gme­lin, Johann Fried­rich: All­ge­mei­ne Geschich­te der Pflan­zen­gif­te; 1777
  • 11 Zieg­ler, Andre­as (Hrsg.): Can­na­bis — Ein Hand­buch für Wis­sen­schaft und Pra­xis; 2022
  • 12 Nees von Esen­beck, Theo­dor Fried­rich Lud­wig: Hand­buch der medi­ci­nisch-phar­maceu­ti­schen Bota­nik; 1830
  • 13 O’Shaugh­nes­sy, Wil­liam Broo­ke: On the Pre­pa­ra­ti­ons of the Indi­an Hemp, or Gun­jah; 1843
  • 14 Freu­den­stein, Georg: De can­na­bis sativ­ae usu ac viri­bus nar­co­ti­cis; 1841
  • 15 von Schroff, Carl Dami­an: Fall einer Ver­gif­tung mit Haschisch. Neu­es Reper­to­ri­um Phar­macie; 1858
  • 16 Kun­kel, Adam Josef: Hand­buch der Toxi­ko­lo­gie – Ers­te Hälf­te; 1899
  • 17 Fankhau­ser, Man­fred und Eigen­mann Danie­la: Can­na­bis in der Medi­zin; 2020
  • 18 https://www.kbv.de/html/cannabis-verordnen.php
  • 19 https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__31.html

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