Ich war neulich zu Besuch bei einer Mitgliederversammlung des SPD-Ortsvereins Essen-Frohnhausen-Altendorf. Der Ortsverein hatte über Instagram zu der Veranstaltung eingeladen. Das Thema des Abends war das Cannabisgesetz. Außerdem war Dirk Heidenblut zu Gast. Dirk Heidenblut ist Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Essen II und arbeitet als Mitglied des Gesundheitsausschusses maßgeblich an der Entwicklung des Cannabisgesetzes mit. Neben einigen ortsansässigen SPD-Mitgliedern kam ich auch mit Mitglieder des CSC Krefeld und des CSC Pottgrow ins Gespräch. In diesem Artikel möchte ich meine Eindrücke des Abends für euch zusammenfassen.
Viele Fragen zu den Änderungen am Cannabisgesetz – Aber wenig Antworten
Die Anhörung zum Cannabisgesetz am 06.11.2023 hat ergeben, dass im Hinblick auf das Gesetz noch viele Fragen offengeblieben sind.
- Bleiben die Abstandsregeln, so wie sie sind, bestehen? Und gelten die Abstandsregeln auch für Cannabispatienten? Diese würden dann bei der Einnahme ihrer Medizin diskriminiert.
- Darf Cannabis an Menschen weitergegeben werden, die nicht Mitglied einer Anbauvereinigung sind? Das Gesetz richtet sich schließlich eher an Vielkonsumenten. Als Gelegenheitskonsument ohne grünen Daumen für Eigenanbau und ohne Zeit für aktives Vereinsleben bleibt als Quelle nur der Schwarzmarkt.
- Wird der Konsum von Cannabis in CSCs doch erlaubt?
- Dürfen neben Blüten auch Edibles in den Anbauvereinigungen hergestellt und weitergegeben werden?
- Bleibt es bei der Besitzobergrenze von 25 Gramm?
- Bleibt die so genannte „Rauschklausel“, die für Nutzhanf gilt, bestehen?
- Wird es einen neuen Grenzwert für THC geben und hat dieser überhaupt Sinn?
- Welche Auswirkungen haben die gegenwärtigen Probleme des Staatshaushalts auf die Gesetzgebung?
Die meisten meiner Fragen wurden an diesem Abend nicht beantwortet. Dirk Heidenblut stellte am Anfang der Versammlung klar, dass keine Informationen zu den beschlossenen Änderungen in Umlauf gebracht werden, bevor die Einigung hinsichtlich des Gesetzes nicht in rechtssicherer, schriftlicher Form vorliegt. Meiner Meinung nach ist das eine sehr integre Entscheidung.
Gesetzgebung braucht seine Zeit
Ein weiteres Ergebnis dieses Abends für mich ist die Erkenntnis, dass der Gesetzgebungsprozess besonders beim Cannabisgesetz sehr langwierig und kompliziert ist, da acht (!) Ministerien beteiligt sind und die dadurch erforderlichen multilateralen Einigungen unfassbar viel Zeit brauchen. Jede Einigung, jedes Öffentlichmachen, jeder Beschluss folgt einem Zeitplan. Das ist bei vielen anderen Gesetzen auch der Fall. Das Besondere beim CanG ist, dass die Menschen, die es betrifft, zum Teil seit Jahrzehnten auf dieses Gesetz warten. Cannabiskonsumenten sind seit der Existenz des Betäubungsmittelgesetzes und länger Opfer von Strafverfolgung. Kein Wunder also, dass man nun ungeduldig auf das Zustandekommen des Gesetzes wartet.
Natürlich können sämtliche Medien Kritik an fehlenden Punkten des Gesetzes äußern. Und die Reaktion der Betroffenen in der Bevölkerung lässt nicht lange auf sich warten. Ein demokratischer Rechtsstaat lässt aber keine Änderungen auf Basis von Rufen in den Raum zu. Man folgt (so gut es geht) dem Zeitplan und dem legislativen Procedere. Dieser Prozess erscheint mit all seiner Bürokratie “typisch deutsch”. Zudem zerren die Aufschübe und noch ‘ne Lesung und noch ‘ne Anhörung und wieder eine Vertröstung an der Geduld der Wartenden.
Die Anbauvereinigungen (CSCs) brauchen Planungssicherheit
Apropos Geduld: Bei einigen CSCs (so erfuhr ich an diesem Abend und durch direkten Austausch mit CSC-Gründern in den sozialen Medien) kippt mittlerweile die Stimmung. Als Anbauvereinigung in Gründung sollte man sich schon frühzeitig um Verträge kümmern. Zum einen braucht es eine passende Immobilie, die zu finden und anzumieten auf dem gegenwärtigen Wohnungsmarkt schon ein riesiges Hindernis darstellt. Zum anderen braucht es Technik aus dem Bereich Beleuchtung, Belüftung und Bewässerung, um nur einige Notwendigkeiten eines Growvorhabens zu nennen. Unter Umständen musste man für einige der gemachten Verträge in Vorkasse gehen und bekommt jetzt durch den Aufschub des Gesetzes wirtschaftliche Probleme. Die Wut und Enttäuschung im Hinblick auf Politik und Politiker wächst also. Und das ist aus den genannten Gründen verständlich.
Die Verabschiedung des Cannabisgesetzes ist nur die erste Hürde
Das für 2024 geplante Inkrafttreten des Cannabisgesetzes ist aber nur die erste vieler Hürden, die die Anbauvereinigungen nehmen müssen. Dirk Heidenblut wies auf der Mitgliederversammlung darauf hin, dass die Bundesländer anschließend noch die Behörden zuweisen müssen, die für die Vergabe der Anbaulizenzen an die Anbauvereinigungen zuständig sind. Für weitere behördliche Aufgaben fehlen aber in vielen Ländern und Kommunen das Personal und die Mittel. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes ein weiteres halbes Jahr ins Land geht, bis seitens der Cannabis Social Clubs mit dem Anbau begonnen werden kann. Theoretisch könnte man im Cannabisgesetz selbst festhalten, in welchen Zuständigkeitsbereich die Lizenzvergabe fällt. Diese kleine Änderung würde aber einen Eingriff in die Hoheit der Bundesländer darstellen. Und damit wäre das Cannabisgesetz dann im Bundesrat zustimmungspflichtig. Das wiederum würde bedeuten, dass die Verabschiedung des Gesetzes entweder komplett verhindert oder weiter verzögert würde. Es ist also von den Verantwortlichen in den Anbauvereinigungen und allen anderen Betroffenen weiterhin Geduld gefragt.
Eine Legalisierung oder Entkriminalisierung von Cannabis hat (keinen) Einfluss auf andere Gesetze
Legalisierung bedeutet aber leider nicht gleich Legalisierung. Es wird zum Beispiel weiterhin über einen THC-Grenzwert im Straßenverkehr diskutiert. Inwiefern dieser tatsächlich Sinn hat und welcher Zahlenwert am Ende auf dem Papier steht, ist noch völlig offen. Tatsache bleibt aber, dass Konsumenten, die mit Cannabis in den Taschen erwischt werden, im Moment (und wahrscheinlich auch nach der Entkriminalisierung) ein Entzug der Fahrerlaubnis droht. Dafür muss man nicht mal im Straßenverkehr erwischt worden sein. Vielen Fahrerlaubnisbehörden genügt schon der Nachweis des Besitzes für einen Zweifel an der Fahreignung.
Eine weitere Gruppe, die eine Entkriminalisierung beträfe, sind Cannabispatienten. Steht Cannabis erstmal nicht mehr in Betäubungsmittelgesetz, dürften sich zeitnah auch die Regeln hinsichtlich der ärztlichen Verschreibung von Cannabismedikation ändern.
Fazit
Die Arbeiten am Cannabisgesetz sind in vollem Gange. Weil das Gesetz aber vor der Veröffentlichung durch viele Hände geht, jede Einigung sowie jeder Beschluss Zeit brauchen, ist seitens der Betroffenen Geduld gefragt. Eine Entkriminalisierung/Legalisierung des Anbaus für Privatpersonen und Anbauvereinigungen ist der Anfang. Anbaulizenzen müssen (für die Anbauvereinigungen, nicht für die Privatpersonen) vergeben werden. Die dafür zuständigen Behörden sind noch nicht benannt. Und weil in vielen öffentlichen Behörden Personal und Zeit fehlen, wird die tatsächliche Möglichkeit des gemeinschaftlichen Cannabisanbaus weiter nach hinten verschoben. Nach dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes muss an weiteren Gesetzen gearbeitet werden, die vom legalen Status von Cannabis betroffen sind.
Zusammengefasst stehen wir erst am Anfang umfangreicher Gesetzesänderungen in Bezug auf Cannabis. Vorausgesetzt, es wird wirklich zeitnah am Gesetz gearbeitet (Problemen mit dem Staatshaushalt sein Dank) und vorausgesetzt, die Ampelkoalition schafft es, bis zum Ende der Legislaturperiode durchzuhalten.
Und sollte Cannabis tatsächlich irgendwann legal sein, heißt das natürlich nicht, dass es auch in den Köpfen der Gegner legal ist. Für viele wird „Marihuana“ in der Schmuddelecke bleiben. Konsumenten bleiben in den Köpfen nutzlose, ungepflegte stinkende Menschen, die nichts als ihren Rausch im Kopf haben. An diesem Bild müssen wir arbeiten und das geht am besten durch Aufklärung.
In diesem Sinne: Kämpft weiter, organisiert euch und werft die Flinte nicht ins Korn.
Weiterführende Links
- Homepage des MdB Dirk Heidenblut
- Instagramkanal des MdB Dirk Heidenblut
- Homepage des SPD-Ortsvereins Essen-Frohnhausen-Altendorf
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- Homepage des CSC Krefeld
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- Homepage des CSC Pottgrow
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